Kein Widerrufsrecht für Verbraucher bei Rednerverträgen (§ 312 g Abs. 2 Nr. 9 BGB)

Verbrauchern steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen (also durch ein Fernkommunikationsmittel wie Brief, Fax, E-Mail und sonstigen elektronischen Textnachrichten o.ä. abgeschlossenen Verträgen) ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.

Das Widerrufsrecht besteht aber – soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben – gem. § 312 g Abs. 2 Nr. 9 BGB nicht für einen Vertrag zur Erbringung von „Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht“.

Genaueres besagt das Gesetz für entgeltliche Rednerverträge (also z.B. Geburtstagsredner-, Taufredner-, Hochzeits-/Trauredner oder Trauerrednerverträge) nicht.

Daher kommt es zur Auslegung der Frage, ob ein Rednervertrag tatsächlich ein „Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht“ im Sinne des § 312 g Abs. 2 Nr. 9 BGB ist, auf die Gesetzgebungshintergründe, die Rechtsprechung und Literaturstimmen an.

Gesetzgeberischer Hintergrund von § 312 g Abs. 2 BGB und seinen Ausnahmen vom Widerrufsrecht ist vor allen Dingen die EU-Verbraucherschutzrichtlinie Nr. 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011. Dort in Erwägungsgrund Nr. 49 wurde bewusst daran gedacht, den Verbrauchern dann kein Widerrufsrecht einzuräumen, wenn dies unzweckmäßig wäre. Unzweckmäßig ist ein Widerrufsrecht nach den Worten in Erwägungsgrund Nr. 49 z.B. bei bestellten Waren, die nach Kundenspezifikationen angefertigt werden (etwa nach Maß gefertigte Vorhänge). Ebenso führt der Europäische Richtliniengeber dort aus, dass die Einräumung eines Widerrufsrechts für den Verbraucher auch im Fall bestimmter Dienstleistungen unangebracht sein könnte, bei denen der Vertragsabschluss die Bereitstellung von Kapazitäten mit sich bringt, die der Unternehmer im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts möglicherweise nicht mehr anderweitig nutzen kann. Dies wäre beispielsweise bei Reservierungen in Hotels, für Ferienhäuser oder Kultur- oder Sportveranstaltungen der Fall.

Übertragen auf den Abschluss eines Rednervertrages zeigt sich, dass bei Bestehen eines Widerrufsrechtes genau das seitens des Europäischen Richtliniengebers gesehene Problem für den Redner (also den Unternehmer) entstünde. Der Redner, welcher durch ein etwaiges Widerrufsrecht praktisch bis in die laufende Rede(-zeremonie) hinein der Gefahr eines Widerrufs durch seine Auftraggeber ausgesetzt wäre, kann üblicherweise seine einmal vergebenen Redezeitfenster nicht nachträglich noch mit neuen Auftraggebern füllen. Schließlich werden Redneraufträge üblicherweise ein Jahr oder wenigstens 6 Monate im Voraus an den Redner erteilt, der ab dann weitere Anfragen anderer möglicher Auftraggeber für dasselbe Zeitfenster einer Zeremonie ablehnen muss. Würden die Auftraggeber dann im Vorlauf des vereinbarten Zeitpunktes der Rede doch den Widerruf erklären können, würden sich so kurzfristig keine neuen Auftraggeber für den Redner und das fragliche Zeitfenster mehr finden lassen, da alle anderen möglichen Auftraggeber sich schon längst mit einem anderen Redner vertraglich einig geworden sind.

Folglich ist es im Sinne des Erwägungsgrundes Nr. 49 der EU-Verbraucherschutzrichtlinie Nr. 2011/83/EU für entgeltliche Redner so, dass der Abschluss eines solchen Rednervertrages die Bereitstellung von Kapazitäten mit sich bringt, die der Unternehmer (Redner) im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts nicht mehr anderweitig nutzen kann. Demnach wollte der Europäische Richtliniengeber in der Tat gerade auch freie Redner, die sich gegen Entgelt für Verbraucher in deren Freizeit zu einem spezifischen Termin zum Abhalten einer Redner (-Zeremonie) vertraglich verpflichten, vor der Gefahr eines Widerrufs schützen.

Auch der Deutsche Bundestag hat die Vorgaben der Richtlinie in § 312 g BGB vollharmoniert in seinem Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung übernommen, welches am 13.06.2014 in Kraft getreten ist. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 817/12) heißt es u.a. auf Seite 92:

„Zu Nummer 9: Mit Nummer 9 werden Dienstleistungen … im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen vom Widerrufsrecht ausgenommen, sofern der Vertrag einen spezifischen Termin oder Zeitraum für die Erbringung vorsieht. Diese Verträge waren bisher … in § 312 b Abs. 3 Nr. 6 BGB alte Fassung vom Anwendungsbereich der Fernabsatzverträge ausgenommen. … Bei den weiteren Verträgen sind zukünftig die Informationspflichten einzuhalten, lediglich das Widerrufsrecht entfällt. Hierunter fallen z. B. die Anmietung von Hotelzimmern und Mietwagen sowie die Bestellung von Catering. … Voraussetzung ist wie bisher, dass der Unternehmer sich verpflichtet, die Dienstleistung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erbringen. Die Ausnahmen vom Widerrufsrecht bestehen vor dem Hintergrund, dass der Unternehmer Kapazitäten bereitstellt, die er bei einem Widerruf möglicher Weise nicht mehr anderweitig nutzen kann (siehe Erwägungsgrund 49).“

Folglich hat sich auch der Deutsche Gesetzgeber den Vorgaben der EU-Verbraucherschutzrichtlinie angeschlossen und will Unternehmer (Redner), die sich gegenüber einem Verbraucher vertraglich dazu verpflichten, die Dienstleistung (Rede) zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums (etwa einer Tauf-, Hochzeits- oder Trauerzeremonie) zu erbringen, schützen. Denn der Redner stellt für die Zeremonie feste Zeitkapazitäten bereit, die er in der Tat bei einem Widerruf möglicher Weise nicht mehr anderweitig nutzen kann.

Entsprechende Gerichtsurteile konkret zu einem etwaigen Widerrufsrecht gegenüber entgeltlich tätigen Rednern sind aktuell noch nicht vorhanden bzw. nicht ersichtlich veröffentlicht worden.

In der Literatur wird jedenfalls auch einheitlich das Bestehen eines Widerrufsrechts gem. § 312 g Abs. 2 Nr. 9 BGB dann allgemein verneint, wenn der Vertrag für die Erbringung der Dienstleistung im Freizeitbereich des betroffenen Verbrauchers einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht (vgl. Ernst „Zeitlich gebundene und zu reservierende Dienstleistungen im neuen Fernabsatzrecht“ in VuR 9/2015, S. 337 ff.; Grudzinski „Ausnahmen vom Widerrufsrecht für Verbraucher“ online v. 25.06.2014; Ring, in: NOMOS BGB, Band 2/1, 3. Auflage, 2016, § 312 g, Rn. 35 ff.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 78. Auflage, 2019, § 312 g, Rn. 12).

Fazit:

Entgeltliche Rednerverträge (wie Traurednerverträge, Hochzeitsrednerverträge, Geburtstagsrednerverträge, Taufrednerverträge oder Trauerrednerverträge) zwischen einem Unternehmer und einem oder mehreren Verbrauchern bezüglich des Abhaltens einer Rede und/oder des Durchführens einer Zeremonie an einem spezifischen Termin oder Zeitraum beziehen sich auf eine „Dienstleistung im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen“ im Sinne des § 312 g Abs. 2 Nr. 9 BGB.

Daher steht Verbrauchern – soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben – für  außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Rednerverträgen und Rednerverträgen, die nur anhand der Nutzung von Fernkommunikationsmitteln wie Brief, Fax, E-Mail, und sonstigen elektronischen Textnachrichten o.ä. abgeschlossen worden sind, kein Widerrufsrecht nach § 355 zu.

Der Redner sollte seine Kunden gem. Art. 246 a § 1 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB jedoch unbedingt im Vorfeld des Vertragsschlusses darüber informieren, dass gem. § 312 g Abs. 2 Nr. 9 BGB kein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht besteht.

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